Curb Cut-Effekt & Barrierefreiheit

Wie wir alle von digitaler Barrierefreiheit profitieren

Wenn es um digitale Barrierefreiheit geht, denken viele Menschen zuerst an „Randgruppen“ und fühlen sich nicht direkt betroffen. Doch abgesehen davon, dass die Gruppe der Menschen mit körperlichen Behinderungen viel größer ist, als es den Anschein hat, birgt das Streben nach Barrierefreiheit auch darüber hinaus ein großes Potenzial für uns alle – unabhängig davon, ob jemand eine Behinderung hat oder nicht. Dieser Zusammenhang lässt sich mit dem sogenannten Curb Cut-Effekt beschreiben. 

Bordsteinabsenkungen, auf Englisch „Curb Cuts“, erleichtern nicht nur Rollstuhlfahrern den Zugang zu Gehwegen, sondern auch Eltern mit Kinderwagen, Reisenden mit Koffern, Radfahrern oder Menschen mit vorübergehenden Verletzungen. Der Curb Cut Effekt verdeutlicht diesen positiven Nebeneffekt der Barrierefreiheit. Er beschreibt das Phänomen, dass behindertengerechte Anpassungen von einer viel größeren Gruppe genutzt und geschätzt werden als nur von den Menschen, für die sie konzipiert wurden. 

Der Curb-Cut-Effekt ist auch in der digitalen Welt an vielen Stellen zu beobachten. So können barrierefreie Designprinzipien die Nutzung digitaler Inhalte für alle erleichtern: Die Anpassungen und Innovationen, die entwickelt wurden, um Menschen mit Behinderungen den Zugang zu digitalen Technologien zu ermöglichen, kommen letztlich auch allen anderen Nutzern zugute. Barrierefreiheit wird zum Katalysator für verbesserte Nutzererfahrungen, Effizienz und Innovation. 

Zunehmende situationsbedingte Einschränkungen durch Smartphone-Nutzung

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass viele Einschränkungen temporär oder situativ sind und früher oder später alle Menschen betreffen, ist es interessant, die Curb Cut-Effekte zu beobachten. Denn Barrierefreiheit ist für uns alle in den unterschiedlichsten Situationen und Lebenslagen relevant: Neben dauerhaften Einschränkungen wie Blindheit, Gehörlosigkeit, motorischen oder kognitiven Beeinträchtigungen (um nur einige zu nennen) gibt es auch temporäre Defizite, die durch Unfall oder Krankheit entstehen können, sowie situationsbedingte Einschränkungen, etwa beim Sehen, wenn die Sonne blendet, oder beim Sprechen, wenn wir in einer Fremdsprache kommunizieren. 

Viele Menschen nutzen die Spracheingabe am Smartphone aus Bequemlichkeit. Die Technik bietet aber auch Pluspunkte bei der digitalen Barrierefreiheit

Auch die zunehmende Nutzung von Smartphones hat einen erheblichen Einfluss auf situationsbedingte Einschränkungen.  So ist die Interaktion mit dem Smartphone beeinträchtigt, wenn wir gleichzeitig laufen, Auto fahren oder Handschuhe tragen – hier können große Touchflächen oder die Möglichkeit der Spracheingabe einen entscheidenden Unterschied machen. 

Mehr als eine ethische und rechtliche Verpflichtung

Diese temporären oder situationsbedingten Einschränkungen führen dazu, dass Barrierefreiheit nicht mehr nur eine Notwendigkeit zur Gewährleistung von Chancengleichheit und Inklusion ist, sondern sich als weitreichender Curb Cut-Effekt erweist. Wie genau diese Verbesserung in der Praxis aussieht und wie der Curb Cut-Effekt auf die digitale Zugänglichkeit angewendet werden kann, zeigen die folgenden Beispiele: 

Spracherkennung

Ursprünglich entwickelt, um Menschen mit motorischen oder visuellen Behinderungen den Zugang zu Computern durch Spracheingabe zu erleichtern, hat die Spracherkennungstechnologie wesentlich zu Sprachassistenten wie Siri, Google Assistant und Amazon Alexa beigetragen, die von Millionen von Menschen weltweit genutzt werden.

Untertitel und Transkripte für Videos

Video-Untertitel und Transkriptionen wurden ursprünglich für Menschen mit Hörbehinderungen entwickelt. Mittlerweile profitieren aber auch Menschen in lauten Umgebungen, Nicht-Muttersprachler oder Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, die Schwierigkeiten haben, gesprochene Sprache zu verstehen. Es gibt auch Menschen, die einfach lieber lesen als hören.

Farbkontraste / Kontrastreiches Design

Ausreichende Farbkontraste sind wichtig für Menschen mit verschiedenen Sehschwächen, sei es eine geringe Kontrastempfindlichkeit oder die Unfähigkeit, bestimmte Farben zu unterscheiden („Farbenblindheit“). Kontraste ermöglichen aber auch Menschen ohne Sehschwäche, Inhalte bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen und in verschiedenen Größen wahrzunehmen. So erleichtern sie das Lesen in schwach beleuchteten Umgebungen, auf sehr kleinen Bildschirmen, aus größerer Entfernung oder bei Blendung durch die Sonne.

Klare und gut lesbare Schriftarten

Leicht lesbare Schriften sind wichtig für Menschen mit Lese- oder Lernschwierigkeiten. Sie kommen aber auch allen anderen Menschen zugute, da sie das Lesen von Inhalten generell erleichtern, insbesondere auf kleinen Bildschirmen oder bei schlechten Lichtverhältnissen.

Alternativtexte für Bilder

Insbesondere für Menschen, die aufgrund einer Sehbehinderung die Bilder auf einer Website nicht sehen können, sind Alternativtexte unverzichtbar. Aber auch Personen mit langsamen Internetverbindungen oder älteren Geräten, die keine Bilder darstellen können, profitieren davon. Darüber hinaus dienen Alternativtexte auch der besseren Auffindbarkeit in Suchmaschinen.

Tastaturnavigation

Tastaturnavigation ist für Menschen mit motorischen oder visuellen Behinderungen, die keine Maus oder ein anderes Zeigegerät benutzen können, von entscheidender Bedeutung. Aber auch Benutzerinnen und Benutzer, die Tastaturkürzel bevorzugen, oder Personen, die die ergonomische Belastung bei der Mausbedienung verringern wollen, profitieren von der Tastaturnavigation. Darüber hinaus gibt es einige Anwendungsfälle, in denen die Verwendung von Tasten vorteilhafter ist als die Mausbedienung, zum Beispiel wenn sehr präzise Bewegungen ausgeführt werden müssen, was zum Beispiel bei Spielen der Fall sein kann.

Konsistente Navigation / Einheitliches Design

Menschen mit kognitiven, visuellen oder motorischen Behinderungen profitieren von einer klar strukturierten und konsistenten Navigation, da sie ihnen hilft, die Website oder Anwendung effektiv zu nutzen und zu den Inhalten zu gelangen, die sie benötigen. Ähnliche Elemente und Mechanismen müssen in verschiedenen Bereichen der Website gleich angeordnet und gestaltet sein, damit sie wiedererkennbar sind. Dies kommt auch allen anderen Nutzern einer Website zugute, da die Benutzerfreundlichkeit erhöht und das Auffinden der gesuchten Informationen erleichtert wird. Sie müssen weniger Zeit und Mühe investieren, um die gewünschten Informationen oder Funktionen zu finden. Dadurch kann auch die Absprungrate verringert werden.

Responsives Design

Responsives Design ist besonders wichtig für Menschen mit Sehbehinderungen. Der Inhalt einer Seite oder Anwendung sollte sich an die Bildschirmgröße anpassen und die individuellen Browsereinstellungen berücksichtigen, so dass die Nutzerinnen und Nutzer das Design bei Bedarf individuell anpassen können, um die Lesbarkeit zu verbessern, zum Beispiel durch eine größere Schrift oder andere Farben. Dieses Prinzip des responsiven Designs kommt auch allen anderen zugute, da es die allgemeine Benutzerfreundlichkeit erhöht. Es stellt sicher, dass die Inhalte auf verschiedenen Bildschirmgrößen und -auflösungen gut lesbar und nutzbar sind, egal ob auf PC, Smartphone oder Tablet.

Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie Barrierefreiheit allen Menschen und nicht nur Menschen mit dauerhaften Behinderungen zugute kommt. Der Curb Cut-Effekt macht deutlich, dass digitale Barrierefreiheit nicht nur eine rechtliche und ethische Verpflichtung ist, sondern auch eine Quelle für Innovation und Fortschritt. Darüber hinaus ist sie ein Wettbewerbsvorteil, der zu mehr Engagement und Umsatz führen kann. Wenn wir Barrierefreiheit von Anfang an in den Designprozess jedes digitalen Projekts einbeziehen, schaffen wir digitale Inhalte, die integrativer, benutzerfreundlicher und vor allem inklusiver sind. 

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