Cross-Plattform im Handel

Die Rolle plattformunabhängiger Entwicklung im B2C-Bereich

Die Beliebtheit von mobilen Cross-Plattform-Technologien wie React Native oder Flutter ist in den letzten Jahren stark gestiegen. So hat beispielsweise Flutter seine Beliebtheit unter Entwickler:innen von 2020 auf 2021 sogar nahezu verdoppelt. Sowohl React Native als auch Flutter rangieren daher solide in den Top 10 der angesehensten Frameworks. Neben der Beliebtheit ist es aber vor allem die Tatsache, dass beide Frameworks die Entwicklung mobiler Applikationen (Apps) für die wichtigsten Plattformen Android und iOS mit einer gemeinsamen Code-Basis erlauben, entscheidend. Dabei ist mittlerweile für alltägliche Anwendungsfälle aus Nutzersicht kaum noch ein Unterschied zu nativ entwickelten Apps zu erkennen.

Insbesondere für den Handel, für den wir mit unserem App-Report Retail 2021 erst kürzlich den State-Of-The-Art der Features im Einzelhandel ermittelt haben, bieten diese Cross-Plattform-Technologien signifikante Potentiale. Unternehmen können ihren Kund:innen somit kosteneffizienter und schneller mobile Applikationen für Android und iOS bereitstellen. Vor diesem Hintergrund möchten wir nachfolgend die Rolle von Cross-Plattform im Handel (B2C), insbesondere Retail und E-Commerce, mithilfe einer App-Analyse untersuchen und damit unter anderem folgende Fragen klären:

  • Wie weit sind diese Technologien bereits verbreitet?
  • Wie viele Händler setzten bereits Cross-Plattform-Lösungen für ihre Apps ein?
  • Falls Cross-Plattform entwickelt wird, nutzen Unternehmen dann primär React Native oder Flutter?

Zur Beantwortung dieser Fragen haben wir insgesamt 50 Top-Apps von namhaften Handelsunternehmen wie Aldi, Amazon, dm, eBay, Kaufland, Lidl, Media Markt, Netto, Picnic oder Zalando untersucht. Das Ergebnis hat uns selbst etwas überrascht, aber lesen Sie selbst.

Was bedeutet überhaupt Cross-Plattform?

Allgemein und vereinfacht dargestellt existieren drei verschiedene Arten, Apps zu erstellen: Nativ (Android, iOS), Cross-Plattform wie React Native, Flutter und Xamarin sowie Web-Technologien wie Hybride Apps, Progressive Web-Apps und Responsive Webseiten. Jede dieser Technologien hat ihre spezifischen Vor- und Nachteile und ist für unterschiedliche Anwendungsfälle geeignet. Cross-Plattform-Lösungen zeichnen sich in diesem Zusammenhang dadurch aus, dass sie für alle Plattformen in einer gemeinsamen Sprache entwickelt, anschließend in die nativen Sprachen der Geräte übersetzt und letztendlich in Maschinencode kompiliert werden.

Cross Platform-Entwicklung

In puncto Performance und User Experience kommen diese nativen Apps dadurch sehr nahe, was sie zusätzlich von Web-Apps unterscheiden. Denn deren Performance und User Experience sind bedingt durch ihren technischen Ansatz zwar zufriedenstellend, aber nicht mit nativen Anwendungen vergleichbar. Auch eine Verzahnung mit plattform-spezifischen Code-Anteilen ist möglich. Bevor wir hier aber zu sehr ins Detail gehen: Falls Sie einen ausführlicheren Überblick über die verschiedenen Arten der App-Entwicklung erhalten möchten, würden wir Sie an dieser Stelle gerne auf unser Webinar Welcome to the Jungle – Ein Überblick über aktuelle Technologien der App-Entwicklung  verweisen, in dem wir diese Fragestellung ausführlich behandelt haben und das Sie kostenfrei abrufen können.

Auswahl der Apps

Zur Feststellung der Rolle von Cross-Plattform im Handel haben wir die Top 50 Shopping-Apps im August 2021 in Deutschland untersucht. Leider gibt es keine dedizierten Kategorien für Handel, Retail oder E-Commerce, sodass Shopping uns als beste Näherung erscheint. Außerdem haben wir aufgrund technischer Gegebenheiten bei der Feststellung der Technologien primär die führenden Apps aus dem Google Play Store betrachtet, da eine Untersuchung bei iOS-Apps nicht ohne Weiteres möglich ist. Die Top 50 Shopping-Apps haben wir dabei aus dem entsprechenden Ranking von SimilarWeb entnommen. SimilarWeb bietet Dienstleistung im Bereich Web Analytics, Data Mining und Business Intelligence an und stellt in diesem Zusammenhang insbesondere auch Statistiken über das User Engagement von fast 5 Millionen Apps zur Verfügung, weshalb wir uns für dieses Ranking entschieden haben. Die Reihenfolge der Apps basiert dabei auf dem Nutzungsrang, „einem Similarweb-Algorithmus, der „Aktuelle Installationen“ und „Aktive Benutzer“ im ausgewählten Land in der Kategorie und in den Leaderboards der letzten 28 Tage berücksichtigt“.

Folgende 50 Apps betrachten wir daher im weiteren Verlauf dieses Beitrags:

Feststellung der Technologie

Die zur Erstellung genutzte Technologie ist nach der Kompilation und Bereitstellung über den Store nicht mehr unmittelbar erkennbar. Durch die Kombination verschiedener Analysetechniken lassen sich allerdings gewisse Muster erkennen, die auf den Einsatz zuvor genannter Technologien schließen lassen. So lässt beispielsweise das Vorhandensein einschlägiger Bibliotheken Rückschlüsse auf die Nutzung einer bestimmten Technologie zu. Mit diesem Vorgehen ist daher eine relativ präzise Aussage möglich, die jedoch – was wir hier auch explizit anmerken möchten – in Ausnahmefällen mehrdeutige Ergebnisse zulässt. Beispielsweise wenn eine App unter Verwendung mehrerer Technologien erstellt wurde. In diesen Fällen haben wir eine detaillierte Betrachtung vorgenommen und die überwiegend genutzte Technologie gewertet.

Zur Feststellung der Technologie haben wir die oben genannten Apps über den offiziellen Google Play Store heruntergeladen und vom Android-Gerät auf einen Computer übertragen. Dort haben wir die Apps mit entsprechenden Tools wie Dex2Jar, JD-GUI beziehungsweise ApkTool auf folgende Merkmale untersucht:

Android

Android

  • Nutzung androidspezifischer Bibliotheken und Elemente wie Dagger, Koin, Retrofit, Coroutines, Fragments, RecyclerView und ViewHolder
  • Merkmale der übrigen Technologien sind nicht vorhanden
Logo react

React Native

  • App enthält Ordnerpfad /com/facebook/react oder Datei libreactnativejni.so
Logo Flutter

Flutter

  • App enthält Datei libflutter.so
Xamarin Logo

Xamarin

  • App enthält bestimmten Dateien, unter anderem mit dem Namen /assemblies/Xamarin.*.dll oder /lib/*monodroid.so
Icon Entwicklung

Web-App

  • Nutzung von Cordova, das heißt, enthält unter anderem Dateien mit cordova.js
  • Oder: Nutzung von Capacitor, das heißt, enthält unter anderem Dateien mit Capacitor.config.ts beziehungsweise Capacitor.config.json
  • Oder: Nutzung von Ionic, das heißt, enthält Datei Ionic.config.json
  • Verhältnis „echter“ Android-Screens (Activities, Fragments) zu WebViews
  • Ladezeit und -verhalten von Screens (Manuelle Prüfung durch Nutzung der App)

Bei Apps, die nach zuvor dargestellten Merkmalen offensichtlich mit einer Cross-Plattform-Technologie entwickelt wurden, haben wir zusätzlich zum zuvor beschriebenen Vorgehen noch den Gegenbeweis durchgeführt und ebenfalls die dazugehörige iOS-App untersucht. Die Analysemöglichkeiten sind bei iOS  deutlich eingeschränkter – allerdings lassen sich auch bei iOS-Apps durch das Entpacken der App Hinweise finden, die Aufschluss auf die Nutzung von React Native oder Flutter geben. Dazu können die zuvor beschriebenen Merkmale genutzt werden. Bei allen betroffenen Apps auf Android konnten wir entsprechend Hinweise im iOS-Pendant finden, was den Rückschluss, dass die ermittelte Technologie tatsächlich eingesetzt wird, deutlich unterstreicht und unsere Ergebnisse damit aussagekräftiger macht.

Unsere Untersuchung hat ergeben, dass ca. 3/5 der Top 50 Shopping-Apps im August 2021 nativ realisiert wurden, ca. 1/5 mithilfe von Cross-Plattform-Technologien wie React Native oder Flutter und weitere 1/5 eine Web-Technologie nutzten, um ihre Shopping-App zu entwickeln.

Unser Ergebnis in konkreten Zahlen:

Bewertung des Ergebnisses

Wie sind diese Zahlen nun einzuordnen? Vorweg sei erwähnt, dass eine Stichprobe von „nur“ 50 Apps sehr überschaubar ist und die damit zusammenhängende reduzierte Aussagekraft dementsprechend berücksichtigt werden muss. Dafür haben wir hier aber andererseits die Top-Apps betrachtet, deren Rangfolge auf mehreren Faktoren beruht, sodass die untersuchten Apps in der Branche wiederum eine bestimmte Reichweite aufweisen. Unser Ergebnis stellt – und dies beabsichtigen wir auch nicht – daher selbstverständlich kein vollumfängliches repräsentatives Abbild der Handelsbranche insgesamt dar, sondern ist vielmehr als Indikation der Rolle von Cross Plattform im Handel zu verstehen.

Das Ergebnis überrascht uns! Wir hatten zugegebenermaßen einen viel höheren Anteil an Cross-Plattform Apps erwartet. Basierend auf Gesprächen mit unseren Kunden in der Handelsbranche sind wir von einem Cross-Plattform-Anteil von mindestens 30 % bis 50 % ausgegangen. Dies hatten wir angenommen, da der Handel sehr preissensitiv ist und die Entwicklung und der Betrieb einer Cross-Plattform-App bei nahezu identischer Customer Experience deutlich kosteneffizienter ist. Bei den hier untersuchten Apps sieht das Ergebnis jedoch anders aus.

Über mögliche Gründe müssten wir spekulieren. Beispielsweise existieren viele Apps schon mehrere Jahre und basieren daher wahrscheinlich auf gewachsenen Code-Basen, die vor einigen Jahren noch überwiegend selbstverständlich nativ entwickelt wurden. So haben wir beispielsweise eine Handvoll Apps identifiziert, die scheinbar nativ und Cross-Plattform entwickelt wurden. Hier könnte nativ gestartet worden sein und mittlerweile Cross-Plattform weiterentwickelt werden.

Fazit

Ziel dieses Beitrags war die Rolle von Cross-Plattform im B2C-Bereich, insbesondere Retail und E-Commerce, mithilfe einer App-Analyse zu untersuchen und die anfangs genannten Fragen zu beantworten. In der von uns untersuchten Stichprobe war die Verbreitung mit 20 % geringer als erwartet. Dabei wurde React Native (12 %) marginal häufiger genutzt als Flutter (8 %). Damit stellen diese Ergebnisse eine Indikation der Rolle von Cross-Plattform im Handel dar. Insgesamt ist festzuhalten, dass nicht-native Lösungen (Cross-Plattform und Web-Apps) mit rund 40 % Anteil eine relevante Rolle im Handel spielen. Da Cross-Plattform-Lösungen gegenüber Web-Apps gewisse Vorteile haben, bleibt es außerdem spannend abzuwarten, wie sich Cross-Plattform insgesamt und auch im Bereich nicht-nativer Lösungen durchsetzen wird.

In diesem Blogbeitrag haben wir uns auf die Top 50 Apps beschränkt. In einem nächsten Schritt werden wir diese Menge auf die Top 100 Apps erweitern und uns auch zusätzlich ausgewählte Apps, beispielsweise aufgrund von individueller Beliebtheit oder speziellen Features, anschauen. Uns interessiert in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch der Trend, das heißt, wie sich der Einsatz von Cross-Plattform-Technologien im Zeitverlauf verändert, sodass wir diese Erhebung in einigen Monaten erneut durchführen werden. Falls Sie Interesse an diesen oder weiteren Studien im Bereich Handel und Mobile haben, tragen Sie sich gerne in das untenstehende Kontaktformular ein – wir informieren Sie dann regelmäßig über Trends und Beuheiten aus dem Retail-Bereich.

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