Ein hoher UX-Reifegrad als Wettbewerbsvorteil: Erweitern Sie die UX-Fähigkeiten Ihres Unternehmens
Ein hoher UX-Reifegrad wird in einer zunehmend digitalisierten Welt zu einem unsichtbaren, aber entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Ein Reifegrad, der nicht nur die Zufriedenheit der Nutzer:innen in den Mittelpunkt stellt, sondern auch systematisch die Geschäftsstrategie unterstützt, kann Unternehmen entscheidend voranbringen. Doch wie weit sind Unternehmen in ihrer Fähigkeit, eine durchgehend positive User Experience zu schaffen, tatsächlich? Und was braucht es, um sich von der Konkurrenz abzuheben?
Dieser Artikel beleuchtet, was UX-Reife ausmacht, warum sie so entscheidend für den Unternehmenserfolg ist und welche Schritte nötig sind, um die UX-Kompetenzen systematisch zu verbessern.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist UX-Reife?
- UX-Reifegrad: Welches Reifegradmodell?
- UX-Reifegrad Ihres Unternehmens: Die sechs Stufen der UX-Reife
- Auf welcher Stufe im UX-Reifegrad-Modell befindet sich mein Unternehmen heute?
- Mehrwert UX: Maßnahmen zur Erhöhung der UX-Reife
- Sichtbarkeit der Erfolge menschzentrierter Gestaltung
- HCD-Evangelisation
- Fazit: Kundenzentrierte UX bringt deutliche Vorteile
Was ist UX-Reife?
Der UX-Reifegrad (engl. UX Maturity Level) beschreibt den Entwicklungsstand einer Organisation im Bereich der User Experience. Er zeigt, wie tief der menschzentrierte Gestaltungsprozess (Human Centered Design, HCD) verstanden und systematisch in Projekte integriert wird.
Außerdem zeigt er, wie systematisch die UX-Strategie in Projekte und Produkte integriert ist. Der menschzentrierte Gestaltungsprozess wiederum ist eine definierte Vorgehensweise, um Produkte gebrauchstauglich und funktional zu gestalten. Dieser Ansatz erhöht daher die Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit der Benutzer:innen.
UX-Reifegrad: Welches Reifegradmodell?
Zum Bestimmen der UX-Reife einer Organisation gibt es unterschiedliche Modelle, beispielsweise das Modell von Nielsen Norman. In diesem Artikel orientieren wir uns am Modell, wie es das UXQB (International Usability and User Experience Qualification Board e.V) definiert. Dieses basiert wiederum auf der ISO-Norm 33020. Die ISO-Norm 33020 definiert sechs Stufen, die die Reife der Prozessfähigkeit einer Organisation beschreiben. Diese Stufen bilden die Grundlage des Reifegradmodells und beziehen sich auf den menschzentrierten Gestaltungsprozess (engl. Auch HCD, „Human Centered Design“).
UX-Reifegrad Ihres Unternehmens: Die sechs Stufen der UX-Reife
Im Folgenden schauen wir uns an, was die einzelnen Reifegrade auszeichnet. Anschließend stellen wir Maßnahmen vor, um die Integration von UX und den Reifegrad der eigenen Organisation zu erhöhen.
Stufe 1: Unvollständig/Fehlendes UX-Bewusstsein
Auf der niedrigsten Reifegradstufe gibt es keine menschzentrierten Designaktivitäten. UX-Aspekte basieren ausschließlich auf Meinungen und Beschwerden. Es gibt kein Budget und keine Managementunterstützung für UX. Verbesserungen der User Experience werden nur umgesetzt, wenn sie keine signifikanten Kosten verursachen. UX wird oft vernachlässigt, wenn es um kritische Entscheidungen geht, wie z. B. die Verschiebung von Releases, um UX-Probleme zu beheben.Stufe 2: Ausgeführt
Aktivitäten im Bereich Human-Centered Design (HCD) werden durchgeführt, jedoch ohne klare Struktur oder Planung. Die Umsetzung hängt vom persönlichen Engagement der Beteiligten ab und ist nicht standardisiert. HCD-Aktivitäten können richtig oder falsch durchgeführt werden. Oft bleibt wenig oder keine Zeit, um die Ergebnisse der Nutzerforschung vollständig zu integrieren, was zu inkonsistenten Ergebnissen führt.Stufe 3: Gemanagt
In dieser Phase gibt es eine gewisse Planung der HCD-Aktivitäten. Einige Projekte planen HCD-Schritte im Voraus, passen den Plan bei Bedarf an und stellen ein Budget für UX bereit. Styleguides und Prozesse sind vorhanden, werden aber nicht immer konsequent befolgt. Das Management zeigt Interesse an UX, scheut sich aber manchmal, unpopuläre, aber notwendige UX-Verbesserungen umzusetzen.Stufe 4: Etablierte UX-Kultur
Hier ist der HCD-Prozess fest in die Organisation integriert. Alle Projekte folgen einem einheitlichen HCD-Prozess, der an spezifische Bedürfnisse angepasst werden kann. Die Organisation verbessert ihre HCD-Praktiken kontinuierlich auf der Basis von Rückmeldungen verschiedener Stakeholder:innen.Stufe 5: Vorhersagbar
Auf dieser Ebene werden Metriken verwendet, um den Erfolg und die Qualität der Produkte zu messen. Dazu gehören Kriterien wie Effizienz, Effektivität und Nutzerzufriedenheit. Unternehmen geben Produkte nur frei, wenn sie die vereinbarten Anforderungen erfüllen. Werden die Qualitätsziele nicht erreicht, werden laufend Korrekturmaßnahmen ergriffen.Stufe 6: Innovativ
Auf höchster Stufe sind alle Entscheidungen und Maßnahmen der Organisation stark auf User Research und die aktive Einbindung von Benutzer:innen gestützt. Die Ziele in Bezug auf Human-Centered Design sind klar auf die strategischen und operativen Ziele der Organisation abgestimmt. Es besteht eine Kultur der kontinuierlichen Innovation und Verbesserung im Bereich Human Centered Design.
Auf welcher Stufe im UX-Reifegrad-Modell befindet sich mein Unternehmen heute?
Die beschriebenen Stufen ermöglichen es Unternehmen, eine Tendenz abzulesen, in welches Spektrum ihre UX-Reife fällt. Zusätzlich ermöglichen es Selbsttests mit Fragebögen, die Reife grob einzuschätzen.
Da eine Selbsteinschätzung jedoch nie frei von Verzerrungen ist, empfiehlt das UXQB eine Einschätzung durch externe Expert:innen. Dabei werden eine Reihe von repräsentativen Entwicklungsprojekten aus jüngster Zeit untersucht und auf die Merkmale des Human Centered Design hin analysiert. Laut UXQB wird der Reifegrad des eigenen Unternehmens häufig überschätzt, insbesondere vom Management.
Mehrwert UX: Maßnahmen zur Erhöhung der UX-Reife
Was kann getan werden, um den UX-Reifegrad eines Unternehmens zu erhöhen? Nachfolgend werden einige UX-Maßnahmen vorgestellt, um sich von einem niedrigen Reifegrad aus weiterzuentwickeln, sowie weitere Methoden, wenn bereits eine gewisse UX-Praxis im Unternehmen vorhanden ist.
Usability-Tests durchführen
Der effektivste Weg, ein Gefühl für die Dringlichkeit von UX zu schaffen, besteht darin, Entscheidungsträger:innen live dabei zusehen zu lassen, wie Nutzer:innen am Produkt scheitern. Dies mag auf den ersten Blick drastisch erscheinen, ist aber eine gute Möglichkeit für Organisationen mit einem niedrigen Reifegrad, mehr Unterstützung zu erhalten.
Hierzu sollten Usability-Tests mit dem Produkt und echten Nutzer:innen durchgeführt werden, bei denen das Produktmanagement als strikte Beobachter:innen in einem separaten Raum zusieht. Durch die eigene Beobachtung entsteht daher ein tieferer Eindruck, der durch ein Usability-Gutachten nicht in gleichem Maße erreicht werden kann.
Usability-Gutachten sind dagegen besser geeignet, wenn es bereits eine Vorgabe für das Projekt zur Gebrauchstauglichkeit gibt oder das Bewusstsein im Management vorhanden ist.
Feldstudien zur Datenerhebung nutzen
Sollten Usability-Tests eine zu große Herausforderung darstellen, bietet sich als nächste Option an, Beobachtungen in Form von Feldstudien bei den Benutzer:innen durchzuführen. Auf diese Weise können reale Daten zur Interaktion im Nutzungskontext erhoben werden. Diese liefern oft wichtige Erkenntnisse zu den Erfordernissen der Benutzer:innen. Erfolge, die mit dieser Methode erzielt werden, z. B. Effizienzsteigerungen durch die gewonnenen Erkenntnisse, sollten dokumentiert und anschließend im Unternehmen als Erfolg der menschzentrierten Gestaltung kommuniziert werden.
Vorhandene Daten nutzen
Eine weitere Option, die kein Budget erfordert, ist die Nutzung vorhandener Daten. Oft häufen sich im Kundensupport viele Anfragen, die für eine Analyse genutzt werden können, um die häufigsten Anwendungsprobleme zu identifizieren. Ähnlich wie bei der Feldstudie können so Erkenntnisse gewonnen und die UX des Produktes verbessert werden.
Sichtbarkeit der Erfolge menschzentrierter Gestaltung
Ebenso wichtig wie die Anwendung eines menschzentrierten Prozesses zur Produktentwicklung ist die Messung des positiven Einflusses, der durch den Einsatz von UX-Aktivitäten erzielt wird. Hierzu können Product Analytics verwendet werden oder auch klassischere Methoden zur Messung von Usability wie der System Usability Scale (SUS).
HCD-Evangelisation
Die gesammelten Daten sollten genutzt werden, um intern im Unternehmen für UX zu werben. Insbesondere bei der Kommunikation mit dem Management ist auf die Sprache zu achten. Verbesserungen müssen adäquat kommuniziert werden. Eine Verbesserung für die Benutzer:innen muss in einem gesteigerten Geschäftswert sichtbar werden. Durch das Aufzeigen dieser Verbindung wird es einfacher, Mitstreiter:innen zu gewinnen und in Zukunft weitere Maßnahmen zur Stärkung des UX-Prozesses durchsetzen zu können.
Ist ein grundlegendes Verständnis für Human Centered Design geschaffen, lohnt es sich im nächsten Schritt, eine Ausrichtung der HCD-Aktivitäten an den strategischen Unternehmenszielen zu etablieren. Eine Möglichkeit, dies im Unternehmen sichtbar zu machen, ist die Visualisierung durch eine UX-Vision. Für die konkrete Umsetzung sollten HCD-Maßnahmen erarbeitet werden, die einen messbaren Beitrag zu den operativen Unternehmenszielen leisten.
Fazit: Kundenzentrierte UX bringt deutliche Vorteile
Ein hoher UX-Reifegrad verschafft Unternehmen einen klaren Wettbewerbsvorteil. Er rückt die Bedürfnisse der Nutzer:innen in den Fokus und steigert dadurch langfristig Kundenzufriedenheit, Effizienz und Geschäftserfolg.
Der Weg zur Optimierung der UX im Unternehmen verläuft über mehrere Stufen, von unkoordinierten Ansätzen bis hin zu einer innovativen, strategisch integrierten Nutzerzentrierung. Unternehmen, die mit ihrem UX-Team diesen Prozess systematisch angehen und ihre Fortschritte sichtbar machen, können daher nicht nur bessere Produkte entwickeln, sondern auch nachhaltige Unternehmenswerte schaffen.