Gesetzgebung und Fristen digitaler Barrierefreiheit
Gesetzliche Grundlage für digitale Barrierefreiheit
Digitale Barrierefreiheit zielt darauf ab, Menschen mit Behinderungen einen uneingeschränkten Zugang zum Internet oder anderen digitalen Anwendungen zu ermöglichen.
Europäische Grundlagen
Mit dem Mandat 376 hat die Europäische Kommission ihren Mitgliedstaaten empfohlen, für Internetseiten des öffentlichen Sektors die Richtlinien für barrierefreie Webinhalte (WCAG) der Web Accessibility Initiative (WAI) in ihrer jeweiligen Gesetzgebung festzuschreiben. Als Standard für digitale Barrierefreiheit gilt die europäische Norm EN 301 549 – diese legt sowohl den Grad der Zugänglichkeit fest und definiert gleichzeitig die Barrierefreiheitsanforderungen für Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) des öffentlichen Sektors.
Die Rahmenbedienungen und der Geltungsbereich für die Umsetzung der Anforderungen sind in der EU-Richtlinie 2016/2102 (Richtlinie für die Standardisierung der Barrierefreiheit von Websites des öffentlichen Sektors) definiert.

Darüber hinaus wurde eine weitere EU-Richtlinie 2019/882 über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (EAA) verabschiedet. Diese ist bis zum 28. Juni 2022 in nationales Recht umzusetzen und muss – abgesehen von Ausnahmen – ab dem 28. Juli 2025 angewendet werden.
Regelungen für Deutschland
Die Regulierung der Umsetzung digitaler Barrierefreiheit erfolgt durch BITV 2.0 (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung), eine Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz, welches in Deutschland das im Grundgesetz geregelte Benachteiligungsverbot behinderter Menschen (BGG) auf einfachgesetzlicher Ebene umsetzt.
Als Basis für die BITV-Anforderungen dienen die Web Content Accessibility Guidelines 2.1 (WCAG 2.1), die auf den Prinzipien Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit basieren. Darüber hinaus werden in der BITV weitere Anforderungen wie die Bereitstellung einer Erklärung zur Barrierefreiheit oder das zur Verfügung stellen wesentlicher Inhalte in Leichter Sprache und Deutscher Gebärdensprache vorgeschrieben.
Inhalt der Erklärung ist die Auflistung und Erläuterung aller Komponenten, die nicht barrierefrei nutzbar sind – inklusive eines Feedbackmechanismus und Hinweis auf die Schlichtungsstelle.
Fristen zur Umsetzung barrierefreier Angebote
Öffentlich zugängliche Websites und mobile Anwendungen von Bundesbehörden müssen schon seit mehreren Jahren barrierefrei sein. Neue Pflichten gibt es allerdings für Intranets und Extranets, für ausschließlich intern genutzte Apps und elektronische Verwaltungsabläufe sowie für weitere Produkte und Bereiche wie den Online-Handel.
Intern genutzte Apps
Für intern genutzte Apps gilt die Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung seit dem Inkrafttreten der geänderten BITV 2.0 am 25. Mai 2019.
Intranet, Extranet, Websites und PDF-Dateien nach 09/2018
Mit dem Inkrafttreten der Novellierung des BGG am 14. Juli 2018 müssen alle Intranet- und Extranet-Angebote barrierefrei gestaltet sein. Seit September 2019 gilt die Verpflichtung zur Entwicklung neuer barrierefreier Intranet- und Extranet-Angebote. Für vorher veröffentlichte Anwendungen gilt dies erst bei grundlegender Überarbeitung.
Darüber hinaus müssen Webauftritte, die nach September 2018 veröffentlicht wurden, seit September 2019 zugänglich gestaltet sein.
PDF-Dokumente sind Teil des Webauftritts und müssen daher ebenfalls barrierefrei zur Verfügung gestellt werden. Ausnahmen bilden PDF-Dokumente, die vor September 2018 angelegt wurden. Diese müssen nicht nachträglich barrierefrei umgestaltet werden, außer sie sind für aktive Verwaltungsverfahren notwendig.
Erklärung zur Barrierefreiheit (Websites nach 09/2018)
Auf Websites öffentlicher Stellen des Bundes, die ab dem 23. September 2018 veröffentlicht wurden, muss die Erklärung zur Barrierefreiheit inklusive Feedbackmechanismus und Hinweis auf die Schlichtungsstelle seit dem 23. September 2019 veröffentlicht sein.
Websites (vor 09/2018)
Bereits bestehende Websites müssen seit September 2020 barrierefrei sein.
Leichte Sprache, Deutsche Gebärdensprache, Erklärung zur Barrierefreiheit (Websites vor dem 23.09.2018)
Die Bereitstellung von wesentlichen Inhalten in Leichter Sprache und Deutscher Gebärdensprache ist ebenfalls Teil der Verordnung und musste seit dem 23. September 2020 erfolgt sein. Auf der Website einer öffentlichen Stelle sind folgende Erläuterungen in Leichter Sprache und Deutscher Gebärdensprache bereitzustellen:
1. Informationen zu den Inhalten
2. Hinweise zur Navigation
3. Eine Erläuterung der wesentlichen Inhalte im Rahmen der Erklärung zur Barrierefreiheit
4. Hinweise auf weitere vorhandene Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache
Auf Websites öffentlicher Stellen des Bundes, die vor dem 23. September 2018 veröffentlicht wurden, gilt die Pflicht zur Bereitstellung der Erklärung zur Barrierefreiheit inklusive Feedbackmechanismus und Hinweis auf die Schlichtungsstelle seit dem 23. September 2020.
Mobile Anwendungen (Apps)
Für öffentlich zugängliche mobile Anwendungen (Apps) gilt die Richtlinie ab Juni 2021.
Erklärung zur Barrierefreiheit (Apps) und Elektronische Verwaltungsabläufe
Mobile Anwendungen (Apps) öffentlicher Stellen des Bundes müssen die Erklärung zur Barrierefreiheit inklusive Feedbackmechanismus und Hinweis auf die Schlichtungsstelle bis zum 23. Juni 2021 bereitstellen. Elektronische Verwaltungsabläufe müssen ebenfalls bis zu diesem Datum barrierefrei sein.
Weitere Geltungsbereiche
Die EU-Richtlinie 2019/882 verpflichtet die Mitgliedsstaaten unter anderem dazu, den gesamten Online-Handel, Betriebssysteme, Bankdienstleistungen einschließlich Geldautomaten, elektronische Kommunikation, Zugang zu audiovisuellen Medien, E-Books und Personenverkehrsdienste barrierefrei zu gestalten.
Lediglich für Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens zwei Millionen Euro gilt die Verpflichtung für einen barrierefreien Online-Handel nicht.
Digitale Barrierefreiheit
